Das Recht eines Menschen auf Kenntnis seiner Abstammung hat Verfassungsrang. Die bisherige Praxis der anonymen Samenspende ist damit nicht vereinbar. Der BGH hat nun geurteilt, dass bereits das mittels anonymer Samenspende gezeugte Kind einen Auskunftsanspruch gegen den behandelnden Arzt haben kann, auch wenn zu seinen Lasten eine vertragliche Vereinbarung (des Arztes mit seinen Eltern) auf Anonymität des Samenspenders besteht.

Zum Sachverhalt:

1997 und 2002 wurden jeweils Töchter eines Ehepaares geboren. Sie wurden mittels anonymer Samenspende und Insemination gezeugt. Das Ehepaar hatte in einer notariellen Vereinbarung mit dem behandelnden Kinderwunschzentrum festgelegt, dass der Samenspender anonym bleiben soll; darin verzichteten sie (zu Lasten der noch zu zeugenden Kinder) ausdrücklich auf eine Auskunft über die Identität des Samenspenders. – Ca. 10 Jahre später überlegten es sich die so gezeugten Töchter noch im Kindesalter anders und verlangten – gesetzlich vertreten durch ihre rechtlichen Eltern – vom Arzt Auskunft über die Person des Samenspenders.

Die Vorinstanzen hatten unterschiedlich geurteilt. Das Amtsgericht gab der Auskunftsklage der Töchter gegen den Arzt statt, das Landgericht hat auf dessen Berufung die Klage 2013 abgewiesen. Die Revision der Mädchen war beim BGH (Bundesgerichtshof) erfolgreich. Der BGH hat den Rechtsstreit an das LG (Landgericht) zurück verwiesen, da dort noch tatsächliche Feststellungen – unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben des BGH –  vor einer endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits zu treffen waren.

BGH – Urteil vom 28.01.2015:

Der BGH stellte fest, dass die Kinder den Auskunftsanspruch gegen den Arzt entweder selbst – nach ihrem 16. Geburtstag – oder schon früher – dann gesetzlich vertreten durch ihre rechtlichen Eltern – geltend machen können. Er ergibt sich aus § 242 BGB; das Kind ist in den Schutzbereich des Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Eltern einbezogen.

Ferner muss die Auskunftserteilung dem Arzt zumutbar sein, so der BGH. Hier ist eine Gesamtabwägung aller Umstände vorzunehmen. Allerdings hat das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung einen sehr hohen Rang. Der vereinbarte Auskunftsverzicht zwischen Arzt und Eltern zählt hier nicht, da dies ein Vertrag zu Lasten Dritter (des Kindes) wäre und als solcher unzulässig ist. Auch die Rechte des Arztes und des Samenspenders sind in der Regel als weniger gewichtig einzustufen. Die Samenspende wurde unter Hinweis auf die einschlägigen ärztlichen Richtlinien vorgenommen; darin ist gerade keine ärztliche Zusicherung auf dauerhafte Anonymität des Samenspenders enthalten.

Das LG wird nun unter Beachtung der Rechtsauffassung des BGH über die Auskunftsklage der Kinder gegen den Reproduktionsmediziner neu entscheiden müssen.