Gendiagnostik und Information über Erbkrankheit – Arzthaftung bei Information des geschiedenen Ehepartners?

Beim Thema „Gendiagnostik und Information über Erbkrankheit“ ist mittlerweile geklärt, dass es ein Recht des Betroffenen auf Nichtwissen um die eigene Erbkrankheit gibt. Dies folgt aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Eine Verletzung dieses Rechts fällt unter § 823 I BGB. – Ist dies übertragbar auf den Fall, dass ein Arzt, der den erbkranken Mann behandelt, diese Information in dessen Einverständnis an die geschiedene Ehefrau – im Hinblick auf die beiden gemeinsamen, minderjährigen Kinder – weiter gibt?

Gendiagnostik und Information über Erbkrankheit – BGH, Urteil vom 20.5.2014:

Sachverhalt:

Der geschiedene Mann litt an Chorea Huntington; die Krankheit ist unheilbar und ihr Verlauf tödlich; sie ist vererblich. Das wurde 2011 festgestellt und der Mann war in ärztlicher Behandlung. Im gleichen Jahr war die Scheidung. Das Ehepaar hatte 2 gemeinsame Kinder, geboren 1994 und 1999. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % haben diese die Erbkrankheit des Vaters ererbt. Das Sorgerecht für die Kinder lag bei beiden Eltern mit Ausnahme der Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge; diese lagen ausschließlich bei der Mutter. Im Einverständnis des Mannes hat der behandelnde Arzt die Frau über den genetischen Sachverhalt informiert mit der Folge, dass der Frau damit das Erbrisiko der Kinder bekannt wurde.

Eine sofortige Abklärung, ob die Krankheit an die Kinder tatsächlich vererbt wurde, war nicht möglich. Das Gendiagnostikgesetz lässt eine prädiktive Gendiagnostik bei  (noch) symptomlosen Minderjährigen nicht so ohne Weiteres zu.

Nach der Information litt die Frau an reaktiver Depression.

Deswegen machte sie den Arzt als Überbringer der schlechten Nachricht haftbar und verklagte ihn auf Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000 € sowie Ersatz des weiteren Schadens. Sie argumentierte, der Arzt hätte sie gar nicht oder allenfalls später, wenn die Kinder schon volljährig waren, informieren dürfen; auch hätte er vorher abklären müssen, ob sie zur Entgegennahme derartiger Informationen bereit sei.

Urteil des BGH:

Das Landgericht hatte die Klage der Frau abgewiesen, das OLG Koblenz hatte jedoch im Berufungsverfahren der Klage weitgehend stattgegeben. – Der BGH wies die Klage im Revisionsverfahren endgültig ab.

Gegenüber der geschiedenen Frau hafte der Arzt des Mannes weder aus Vertrag noch Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes der Frau. Die geschiedene Frau selbst habe mit dem Arzt keinen Vertrag. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze das Recht auf Nichtwissen über die eigene genetische Verfassung. Hier wurde aber Information über die genetischen Eigenschaften des Mannes (in dessen Einverständnis) an die Frau weiter gegeben.

Diese Konstellation und Informationen dazu sind schicksalhaft, so der BGH. Sie gehören zum allgemeinen Lebensrisiko und können nicht dem behandelnden Arzt des Mannes angelastet werden. Der Überbringer einer schlechten Nachricht, hier also der Arzt in Bezug auf gendiagnostische Erkenntnisse, ist deswegen alleine noch nicht haftbar.