Eine bahnbrechende Entscheidung für den Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare traf der BGH am 10.12.2014. Er erkannte die rechtliche Elternschaft von 2 Männern an einem Kind, das in Kalifornien mittels Leihmutterschaft gezeugt und geboren wurde, in Deutschland an. Tragender Grund für die Entscheidung war u.a. das Kindeswohl; das Interesse des Kindes an einem rechtlich geordneten Verwandtschaftsverhältnis sei vorrangig. Vorausgegangen war ein Urteil des Superior Court of California, das die Elternschaft der beiden Männer feststellte.

Zum Sachverhalt:

2 Männer aus Berlin, beide deutsche Staatsangehörige, lebten in Deutschland in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung zusammen; ihre Partnerschaft war nach deutschem Recht eingetragen. Da sie sich ein „gemeinsames Kind“ wünschten, suchten sie einen Weg über die Leihmutterschaft. Diese ist in Deutschland unzulässig und bei Strafe verboten. In manchen Ländern, so z.B. Kalifornien, ist sie aber erlaubt. Die beiden Männer (Wunscheltern) verabredeten daher mit einer Frau (Leihmutter) in Kalifornien eine Leihmutterschaft. Ein Mann aus der Partnerschaft sollte die Samenspende liefern; die Frau sollte eine anonym gespendete Eizelle nach deren künstlicher Befruchtung zur Austragung einer Schwangerschaft erhalten und nach der Geburt den beiden Männern, also den Wunscheltern, das Kind übergeben. Noch vor der Geburt des Kindes gaben die 3 beteiligten Erwachsenen, nämlich die Wunscheltern und die Leihmutter, vor dem deutschen Generalkonsulat in San Francisco Erklärungen mit dem entsprechenden Inhalt ab. Alle 3 Erwachsenen waren sich einig, dass die beiden Männer Eltern des Kindes werden sollten und die Frau keinerlei Beziehung zu dem Kind haben sollte. Das kalifornische Recht lässt eine derartige Konstruktion – im Gegensatz zum deutschen Recht – unter gewissen Voraussetzungen zu. Im April 2011 stellte der kalifornische Superior Court auf den Antrag der beiden Männer deren Elternschaft fest; ferner stellte er fest, dass die Leihmutter keine Elterneigenschaft zu dem von ihr zu gebärenden Kind habe. Das Kind wurde im Mai 2011 geboren und 1 Monat später reisten die beiden Männer mit dem Baby zurück nach Berlin.

Jedoch verweigerte das deutsche Standesamt den Eintrag der Auslandsgeburt und der beiden Männer als Eltern. Es vertrat den Standpunkt, dass der Lebenspartner des genetischen Vaters weder Mutter noch Vater des Kindes sei und daher seine Eintragung als Elternteil aus deutscher Rechtssicht nicht zulässig ist; eine alleinige Eintragung – nur – des Samenspenders als Vater lehnte das Standesamt als unvollständige Beurkundung gleichfalls ab. Sowohl das AG Schöneberg als auch das Kammergericht Berlin gaben der Standesbehörde recht. Dagegen legten die beiden Männer und das Kind Rechtsbeschwerde zum BGH ein – diese war erfolgreich!

Der BGH hob die Entscheidung der Vorinstanzen auf und wies das deutsche Standesamt an, die Auslandsgeburt und die Elternschaft der beiden Lebenspartner im Geburtenregister einzutragen (Beschluss vom 10.12.2014).

Zum Beschluss des BGH vom 10.12.2014:

Der BGH hatte zu klären, ob die ausländische Entscheidung, nämlich das Urteil des kalifornischen Superior Court, in Deutschland anzuerkennen war.

Grundsätzlich sind ausländische Gerichtsentscheidungen auch in Deutschland zu beachten. Das gilt aber nicht ohne Einschränkungen. Wenn die ausländische Entscheidung mit den wesentlichen deutschen Rechtsgrundsätzen offensichtlich unvereinbar ist (sog. ordre public-Vorbehalt) und zu untragbaren Ergebnissen führen würde, dann kann sie nicht anerkannt werden; das ist z.B. der Fall, wenn sie deutschen Grundrechten widerspricht. Es war daher zu bedenken, dass die kalifornische Leihmutter – Konstruktion dem deutschen Recht fremd ist, mehr noch sogar: sie ist in Deutschland verboten. Verletzt ist der Grundsatz, dass die gebärende Frau stets, für immer und unverzichtbar die (rechtliche) Mutter des Kindes ist, § 1591 BGB; ferner wird eine Eizellspende vom deutschen Recht abgelehnt (Embryonenschutzgesetz), ebenso wie die Vermittlung von so gezeugten Kindern (Adoptionsvermittlungsgesetz).

Aus deutscher Sicht musste daher der BGH eine Abwägung vornehmen:

Einerseits zwischen dem deutschen Verbot der Leihmutterschaft und dem deutschen Abstammungsrecht. Die „kalifornische Konstruktion“ wäre also nach deutschem Recht unmöglich und widerspricht auch ganz erheblich den deutschen Rechtsvorstellungen. – Andererseits fordert es das Kindeswohl, dass ein rechtliches Eltern – Kind – Verhältnis entstehen kann. Hinkende Verwandtschaftsverhältnisse (Verwandtschaft nur in einem Staat, nicht aber in einem anderen Staat anerkannt) sind aus Gründen des Kindeswohls tunlichst zu vermeiden.

Der BGH hatte dabei die gegebene Fakten- und Rechtslage zu bedenken. Aus deutscher Sicht wäre die Leihmutter die rechtliche Mutter des Kindes; das ist aber nach kalifornischem Recht nicht so. Außerdem ist die Leihmutter in diesem Fall (fremde Eizelle) nicht mit dem Kind genetisch verwandt. Die Leihmutter wollte auch keinerlei Kontakt zu dem Kind haben und keine elterliche Verantwortung für das Kind übernehmen. Rein faktisch ist das Kind also mutterlos. Der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, ist der rechtliche Vater. Außerdem ist zumindest ein Elternteil, nämlich der Samenspeder, mit dem Kind genetisch verwandt. Nach deutschem Recht hätte ferner der andere Mann als eingetragener Lebenspartner des genetischen und rechtlichen Vaters die Möglichkeit einer Stiefkindaoption.

Unter diesen Umständen kam der BGH zu dem Ergebnis: dem kalifornischen Gerichtsspruch, der unter den gegebenen Voraussetzungen die Elternschaft beider Männer feststellte, kann in Deutschland nicht die Anerkennung versagt werden.

Hinweis:

Die Entscheidung des BGH hat sicherlich grundsätzliche Bedeutung. Sie kann aber nicht für jeden beliebigen anderen Fall von Leihmutterschaft verallgemeinert werden. Stets sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles und auch das jeweilige nationale ausländische Recht genau zu prüfen!